Wir freuen uns darauf, mit Ihnen einen besonderen Ort der Stadt neu zu entdecken: das Gelände des agra Messepark Leipzig. Dort wird die Halle 4, ehemals der Kultursaal der agra-Landwirtschaftsausstellung der DDR, von April bis Oktober zum Interimsquartier für das Schauspiel Leipzig. Das Areal des agra Messepark ist ein Schnittpunkt historischer Ereignisse und Epochen: Es ist einer der Schauplätze der Völkerschlacht, in der Gründerzeit errichtete das Leipziger Bürgertum dort Villen zur Sommerfrische, von denen etwa das Weiße Haus noch heute erzählt. Ab 1890 wurde um das Weiße Haus der Herfurth’sche Park angelegt, der 1945 enteignet und umgestaltet wurde, um die Gartenbauausstellungen der DDR zu veranstalten. Parallel entstand ab 1952 das Gelände für die agra-Landwirtschaftsausstellung der DDR. Als anerkannte Messe für die Fachwelt im In- und Ausland waren regelmäßig über eine halbe Million Besucherinnen und Besucher zu Gast. Heute ist das Gelände, auf dem sich auch die Städte Leipzig und Markkleeberg berühren, zumeist bekannt für den Antik- Markt und als Quartier des Wave-Gotik-Treffens.
Nun wird die agra zur „ag(o)ra“. In der griechischen Antike war die Agora der Ort der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Gegenwart, der Ort der gesellschaftlichen Debatten. Die ag(o)ra des Schauspiel Leipzig wird nun zum Forum von Geschichte und Geschichten nicht nur des außergewöhnlichen agra-Areals.
Basis dafür wird die Halle 4: eine Halle mit Foyer und eigener Bühne, die noch reichlich Atmosphäre aus der Zeit als Kultursaal bewahrt hat. Drei Spielstätten richten wir dort ein: den „Saal“, den „Lampenladen“ und die „Kulturbühne“. Sie bilden die zentralen Spielorte der ag(o)ra.
Die ag(o)ra startet im April mit vier Produktionen: Den Spuren und Geschichten der Landwirtschaftsausstellung wird ein eigenes Recherche- Projekt auf dem Gelände nachgehen, „
Die Gläserne Kuh. Prüfbegehung der agra-Landwirtschaftsausstellung 1981“.
Das agra-Gelände erzählt heute noch von den wirtschaftlichen und ideologischen Umwälzungen in der DDR-Landwirtschaft nach Kriegsende. Und so wird auch Heiner Müllers Klassiker „
Die Umsiedlerin“ auf der ag(o)ra Premiere haben: ein Stück, das sich kritisch mit der Kollektivierung der Landwirtschaft in der DDR auseinandersetzte und nicht zuletzt deshalb auch zeitweise verboten war.
Die Uraufführung eines Auftragswerkes „
Kein Schicksal, Klytämnestra“ von Nino Haratischwili verhandelt die antike Geschichte von Klytämnestra und Kassandra neu — überführt in die Spannung zwischen Tradition und Gegenwart, Veränderung und Vergangenheit. Aufgeführt wird die Geschichte nun an einem Ort, den ebensolche Brüche und Spannungen prägen.
Der Lampenladen startet mit einem Projekt, in dem sich unser Ensemble und Menschen aus der Stadt begegnen werden — musikalisch, choreographisch, inhaltlich: „
Neonschatten“ geht der Frage nach, wie man sich der eigenen Stadt in Geschichten nähert.
Die zweite Runde auf der ag(o)ra gilt den Spielclubs des Schauspiel Leipzig: Im Rahmen des Festivals
ClubFusion von Schauspiel, Theater der Jungen Welt und Oper Leipzig werden die Clubs „ü31“ und „Die Spielfreudigen“ den Lampenladen und die Kulturbühne mit ihren Themen und Geschichten erobern.
Im Sommer wird auf dem Areal des agra Messepark auch das traditionelle Open-Air-Theater des Schauspiel Leipzig stattfinden: mit „
Ich denk schon wieder (nur an dich)“, ein neues Projekt, das die Texte von Liv Strömquist und Ada Berger für das Theater spielerisch weiterentwickelt — nach „Spieglein, Spieglein, halt’s Maul, wir müssen nachdenken“ und „Liv Strömquist denkt über sich nach“ wiederum in der Regie von Ellen Neuser. Und ab September folgt eine Inszenierung von William Shakespeares „
Der Sturm“, der in der Regie von Adewale Teodros Adebisi durch die ganze Halle 4 ziehen wird.
Im Oktober gastiert die Bundeszentrale für politische Bildung mit dem traditionsreichen Festival „
Politik im Freien Theater“ in seiner 12. Ausgabe erstmals in Leipzig, veranstaltet in Kooperation mit Schauspiel Leipzig, Theater der Jungen Welt, Schaubühne Lindenfels, Westflügel und LOFFT — DAS THEATER. Wir freuen uns, dass das Festival zum Abschluss der ag(o)ra-Zeit auch die Räume dort bespielen wird.
Bereits am 9. März und am 12. April beginnt der Auftakt unserer ag(o)ra-Spielzeit: Am 9. März haben Sie die einmalige Gelegenheit, beim
Tag der offenen Tür selbst die Halle 4 zu begehen und ihre faszinierenden architektonischen und technischen Spuren aus der DDR-Zeit zu entdecken. Am 12. April laden wir Sie dann zu
öffentlichen Proben der vier Produktionen ein, mit denen wir die ag(o)ra starten.
Übrigens: Während des Interims im agra Messepark Leipzig geht der Spielbetrieb in der Diskothek und im Foyer 1 des Schauspielhauses sowie in der Residenz auf der Spinnerei weiter. Die Große Bühne ist nicht bespielbar, weil dringende Erneuerungsmaßnahmen an Bühnenelektrik und Tonanlage vorgenommen werden müssen.
Wir freuen uns auf den besonderen Ort Leipziger Stadtgeschichte, den uns diese Umbaumaßnahmen eröffnen. Bis bald auf der ag(o)ra!