FADENSPIELE.
Zu „The Shape of Trouble to Come”

Was kommt nach dem Menschen? Wie das Zusammenleben mit anderen Spezies denken? Eine neue Art muss her, die Welt zu begreifen. Die Gruppe FARN. collective hat sich mit „The Shape of Trouble to Come“ aufgemacht, Spuren des zu Kommenden in Texten Bildern, Musik, Erde zu finden. Einen Teil der Entdeckungsreise dokumentieren wir hier auf dieser Seite.
Niemand ist eines. „Ein“ Wesen ist in Wirklichkeit eine Vielheit von Zellen, Mikroorganismen, Prozessen, symbiotischen Krittern, in ständigem Austausch mit den Medien, die es umschließen. Die Vorstellung von autopoietischen, selbst erhaltenden Systemen als Leitbild des Begreifens lebendiger Prozesse hat ausgedient. Verwandtschaft und Miteinander-Werden sind Begriffe, die quer zu Artengrenzen und Generationshierarchien verlaufen.

Donna Haraway hat in „Camilles Geschichten“ die Vision einer Verlängerung der Kultur ins Artenübergreifende entworfen, einer Kultur, in der Menschen sich mit nicht-menschlichen Spezies vermischen, diese in sich aufnehmen, um gemeinsam sich zu entwickeln.
Wie sich dieses Mit-Werden imaginieren? Wie kann mensch auf der Bühne zu Anderem werden? Schmetterlingsraupen und Häkelpilze bevölkern den Kosmos von „The Shape of Trouble to Come“.
Traditionelle Weisen des Geschichtenerzählens kennen den Helden, den aktiven Charakter, der sich in Auseinandersetzung mit äußeren und inneren Gegnern beweist, entwickelt, und der Welt seinen Stempel aufdrückt. Wie von anderem erzählen? „The Shape of Trouble to Come“ sucht nach Geschichten im Kleinen, im Kompost, im Schlagen der Schmetterlingsflügel, in der Tragetasche der Sammlerin.
„Entscheidend ist die Geschichte. Die Geschichte, die die Mammutjäger übers Schlagen, Stechen, Vergewaltigen, Töten, sprich: über den Helden erzählten, ist auch jene Geschichte, die meine eigene Menschlichkeit vor mir verschleierte. [...] Manchmal scheint es, als neige sich diese Geschichte ihrem Ende zu. Damit es nicht bald überhaupt keine Geschichten mehr zu erzählen gibt, sind einige von uns hier draußen inmitten des – in diesem Teil der Welt eingeführten – wilden Hafers der Ansicht, dass wir schleunigst damit anfangen sollten, eine andere Geschichte zu erzählen, eine, die vielleicht dann weitergesponnen werden kann, wenn die alte endgültig ausgedient hat. Vielleicht. Das Problem ist nur, dass wir alle zugelassen haben, selbst zu einem Teil der Killergeschichte zu werden, so dass deren Ende auch uns den Garaus machen könnte. Deshalb suche ich mit einer gewissen Dringlichkeit nach der Natur, nach dem Motiv, nach den Worten jener anderen Geschichte, der unerzählten Geschichte, der Lebensgeschichte.“
„Als ich anfing, Science-Fiction-Romane zu schreiben, begann ich, diesen großen schweren Sack voller Dinge mit mir herumzuschleppen, meine Tragetasche, vollgepackt mit Weicheiern und Tollpatschen, mit winzigen Samen von Dingen, die kleiner als Senfkörner sind, mit filigran gewirkten Netzen, die, wenn sie mühevoll entknotet werden, den Blick auf einen blauen Kiesel freigeben, mit einem Chronometer, das mit unbeirrbarer Gleichmut die Zeit einer anderen Welt misst; vollgepackt mit Anfängen ohne Enden, mit Initiationen, Verlusten, Wandlungen und Übersetzungen, mit weit mehr Tricks als Konflikten und weit weniger Triumphen als Fallstricken und Desillusionierungen; vollgepackt mit Raumschiffen, die Pannen haben, Missionen, die scheitern, und Leuten, die nichts verstehen. Eingangs habe ich geschrieben, dass es schwierig sei, eine packende Geschichte davon zu erzählen, wie wilden Haferspelzen Haferkörner abgerungen werden – nicht dass es unmöglich sei. Wer hat behauptet, dass es einfach sei?“

Ursula K. Le Guin

„Sie sagen: Humankapital. Wir sagen: artenübergreifende Allianz. Sie sagen: Bei uns gibt‘s Pferdefleisch. Wir sagen: Lasst uns auf ein Pferd steigen, um zusammen dem globalen Schlachthof zu entkommen. Sie sagen: Macht. Wir sagen: Kraft. Sie sagen: Integration. Wir sagen: Open Source. Sie sagen: Mann/Frau, schwarz/weiß, Mensch/Tier, homosexuell/heterosexuell. Wir sagen: Du weißt schon, dass deine Wahrheitsproduktionsmaschine nicht mehr funktioniert?“

Paul B. Preciado
Wie zelebrieren wir die Welt, in der wir leben? Feiern wir Feste für den Morgen, für den Regenwurm, der sich aus der Erde windet, für den Lufthauch, der durchs Haar streicht. Machen wir den Klang des Humus und den Rhythmus der Korallen hörbar.
„Die schönsten Gedenkfeiern sind die, die unsichtbare Revolutionen und Veränderungen feiern, die kein Entstehungs- und Verfallsdatum haben. Wer feiert das wachsende Gras? Den Himmel, der seine Farbe verändert? Wer feiert die Lektüre eines Buchs? Das Erlernen einer neuen Geste? Wer feiert den letzten Augenblick des Glücks vor einem plötzlichen Tod? Vergessen wir die Geburtstage. Vergessen wir die offiziellen Gedenktage und die Reliquien. Um all unsere anderen möglichen Geburten zu feiern.“

Paul B. Preciado
Inmitten der Wirrnisse von Umweltzerstörung, Klimakatastrophe, sozialer Verwerfungen sich eine transformierte Welt vorzustellen, ist schon an sich keine einfache Übung. Utopische Bilder eines vollständigen Neuanfangs scheinen angesichts des Überhangs von Zerstörung und Wohlstandsmüll illusorischer denn je.
„Die SprecherInnen für die Toten lehrten Praktiken des Erinnerns und Trauerns, um die vernichteten menschlichen und nichtmenschlichen Kritter in die fortgesetzten Anstrengungen miteinzubeziehen, die Fesseln des doppelten Todes abzuschütteln, die vielerlei Arten und Weisen des Lebens und Sterbens im Plantagozän, Anthropozän und Kapitalozän erstickt hatten.“

Donna Haraway
Oh friends in all dimensions
Can you hear our heartfelt plea?
We'd wrecked our tiny vessel
And will soon be lost at sea


Oh precious Earth, oh wondrous sphere
That travels round the Sun
How fragile is the path you forge
With sister planets spun


How delicate and intricate
The balance that you hold
Against a sea of nothingness
And unforgiving cold


Oh friends on other planets
Do you hear our own desperate plea?
We've rocked our tiny vessel
And will soon be lost at sea


Oh precious Earth, oh wondrous sphere
That kindly birthed us all
Forgive us our unmindfulness
That led to your great fall


If we could cool the polar caps
Restore the icy home
Of plants and mammals, fish and fowl
Where Inuit still roam


Oh friends in other orbits
Do you hear our sorrowful plea?
We've rocked our tiny vessel
And will soon be lost at sea


We could assist you and we would
Reverse your present course
But the help you need you'll find within
Not from an outside source

Mark Pritchard and The Space Lady