Hausregisseur Philipp Preuss im Gespräch über „Peer Gynt“
Nach „Ein Sommernachtstraum“ ist Ibsens Drama Preuss' zweite Inszenierung auf der Großen Bühne. Der Musiker Kornelius Heidebrecht, der schon beim Sommernachtstraum die musikalische Leitung übernahm, hat für „Peer Gynt“ eine eigene Komposition entworfen, die von ihm gemeinsam mit drei Sängerinnen live auf der Bühne umgesetzt wird.
Verbindet die beiden Inszenierungen, „Ein Sommernachtstraum“ und „Peer Gynt“, für Dich etwas?
Philipp Preuss: Die Arbeit ist eine Fortsetzung an einer Erforschung einer ästhetischen Traumlogik, einer künstlerischen Traumgrammatik, wie schon beim Sommernachtstraum oder bei Strindbergs „Traumspiel“ oder Kleists „Käthchen“ am Schauspiel Frankfurt. Mittels Raum, Licht, Video, Musik, Figuren-Aufsplittung und Identitätszersplitterung probieren wir an nichts geringerem als an einem Psychedelischen Theater, wir arbeiten uns ab am „Lob des Surrealismus“.
Was treibt Peer Gynt an? Warum die Aufteilung in mehrere Peers?
Peer ist ein Getriebener, raus dem bürgerlichen Leben, versucht er sich zu suchen, sich fliehend zu finden. Eine Lebensreise ans Ende der Nacht. „Peer Gynt“ ist das Stück des Ichverlusts, der Identitätsaufteilung, der Entdeckung des Unbewussten. Wie sagt Rimbaud ein halbes Jahrhundert später: « Je est un autre ». Peer hat keinen Kern, er ist der Prototyp des flexiblen Menschen, der sich wie wir in Schalen und Identitätsversuche wirft.
Welche Rollen haben Musik/Gesang/Sprache?
Musik ist ein Türöffner ins Unbewusste, worüber man nicht reden kann, darüber kann man singen. Und die Sprache bei Peer Gynt ist ein Gedicht, Peers Handwerkszeug des Erfindens, Lügens und Hochstapelns. Wie sagt Blixa Bargeld so schön: „Da wo was leckt, da muss eine Dichtung rein“.
Interpretierst Du Peer Gynt politisch?
Peer Gynt ist die politische Biografie des Westens, sei es die Utopie der Freiheit, sei es Kolonialismus. Der patriarchale Peer, der sich befreien will von kleinbürgerlichen Konventionen, der andere ausbeutet und Länder kolonialisiert, Religion als Machtinstrument anstimmt, der immer jung bleiben will, der in Männerphantasien Realitäten erschafft und dabei egoistisch über Leichen geht. Ein heteronormatives Epos, Liebe eine ewig verschiebbare Projektion und Peers Lügen neuerdings Wahrheiten, Peer Gynt, das role model für alternative Facts.