Residenz

Mit „Every Body Electric“ und „all inclusive“ sind gleich zwei Residenz-Koproduktionen aus den letzten Spielzeiten zur Venedig Biennale 2019 eingeladen, und mit „Oratorium“ ist die Residenz beim Berliner Theatertreffen 2019 vertreten. Nicht ohne Stolz gratulieren wir Doris Uhlich, Julian Hetzel und She She Pop zu diesen herausragenden Auszeichnungen! Zudem wird die Residenz als Koproduktionsort für die Zusammenarbeit zwischen freier Szene und Stadttheater zunehmend als modellhaft wahrgenommen. Das, aber auch das stetig wachsende Interesse des Leipziger Publikums an den experimentellen, interdisziplinären Performances des Residenz-Programms, bestätigt und beflügelt uns in der Arbeit.
Wir setzen auch in der neuen Spielzeit die Zusammenarbeit mit international arbeitenden KünstlerInnen fort, nehmen dabei thematisch aber verstärkt die lokale Perspektive in Leipzig und Sachsen in Augenschein. Ein zentrales Thema, nicht nur in dieser Spielzeit und nicht nur in der Residenz, wird die Beschäftigung mit den lokalen und globalen Konsequenzen des Bergbaus sein.
So nehmen die Berliner Choreographin und Tänzerin Jule Flierl und die bildende Künstlerin Mars Dietz mit „WISMUT – A Nuclear Choir“ jene Region im Erzgebirge ins Visier, in der das Bergbauunternehmen Wismut bis 1990 das Uran für sowjetische Atomprogramme abbaute. Mit einer dokumentarisch-tänzerischen Performance spüren sie dem Nachstrahlen dieses industriellen Erbes in Landschaft, Gesellschaft und individuellen Körpern nach.
   
Das Kollektiv um den Filmemacher und Komponisten Daniel Kötter, die Bühnenbildnerin Elisa Limberg und die Dramaturgin Sarah Israel setzt sich in seiner mehrteiligen Serie „Landscapes and Bodies“ ebenfalls mit den Transformationsprozessen von Landschaften und Menschen durch den Bergbau und dessen Folgen auseinander. Die ersten beiden Teile „GOLD“ und „COAL“ stellen in einem Doppelabend die stillgelegten und noch aktiven Braunkohletagebaue im Leipziger Umland und indonesische Gold- und Kupferminen gegeneinander. Die Serie wird in der nächsten Spielzeit fortgesetzt und widmet sich dann den aus dem Steinkohlebergbau resultierenden Ewigkeitsaufgaben im Ruhrgebiet sowie der Schieferölgewinnung in Estland und dem Coltanabbau in der Demokratischen Republik Kongo.

„Eine Hexerei“ nennen die Berliner KünstlerInnen Antonia Baehr und Lucile Desamory ihre Produktion „Die besondere Perücke“, in der sie Geistererscheinungen als wandelbare Identitätskonstruktion betrachten und den Industrie-Theaterraum der Residenz in den Schlossgarten von Versailles verwandeln. Opulentes Ausstattungstheater trifft zeitgenössische Konzeptkunst. Und der absolutistische Garten wird zum spannungsreichen Spielfeld un/möglicher Erzählungen.

Großbritannien ist das einzige Land der Welt, das ein nationales Ministerium für Einsamkeit in die Regierungsgeschäfte implementiert hat. Angesichts der wachsenden gesellschaftlichen Vereinzelung und der daraus folgenden Vereinsamung der Menschen ist das gar nicht so verwunderlich. Erstaunlich ist vielmehr, dass der in Großbritannien berühmt-berüchtigte Allround-Künstler Kim Noble nicht Minister wurde, beleuchtet er doch seit Jahren in Performances, Filmen, Installationen und aktuell in einer Graphic Novel die absurdesten Winkel vereinsamter Seelen. Wir zeigen seine Erfolgsproduktion „You Are Not Alone“ und produzieren eine neue Arbeit für die nächste Saison.

Zum Abschluss der Spielzeit bringen die Leipziger KünstlerInnen Alisa Hecke, Julian Rauter und Andi Willmann mit „The Big Sleep“ endlich das Naturkundemuseum auf die Spinnerei. In einem fiktiven Depot einer naturkundlichen Sammlung befragen sie das Bedürfnis des Menschen, Relikte des organischen Lebens zu erhalten, aufzuarbeiten, zu sammeln und der Nachwelt zu überliefern. Was lässt sich anhand der Praxis der Tierpräparation über den Menschen, seine Ängste, Wünsche und Visionen in Erfahrung bringen?