Die Gläserne Kuh (UA)
Prüfbegehung der agra-Landwirtschaftsausstellung 1981
Es sind noch knapp zwei Monate bis zur Eröffnung der agra-Landwirtschaftsausstellung im Jahr 1981. Alles wurde akribisch geplant und vorbereitet. Das Traktorenballett ist choreographiert, die Tiere für die große Rinderschau sind ausgewählt, die neuen Korn-Sorten für die Nutzpflanzenschau fein säuberlich nebeneinander ausgesät und alles wartet nur darauf, endlich fertiggestellt zu werden und seinen großen Auftritt zu bekommen. Ganz hinten, in Halle 18.1, zwischen Mähdrescherwiese und Rinderstall, steht auch sie: die Gläserne Kuh. Als eine der Hauptattraktionen der Ausstellung zieht die lebensgroße Kuh-Figur mit transparenter Haut Interessierte aus aller Welt an, die durch sie einen Einblick in etwas bekommen, was ihnen beim Blick auf die Weide oder auf den Teller sonst verborgen bleibt.
Doch noch ist die Oberfläche der Gläsernen Kuh von Tüchern bedeckt, sind die Traktoren in den Garagen, die Schweine in ihren Ställen. Denn bevor die agra ihre Türen und Fenster zur Welt öffnen kann, muss die geplante Ausstellung mit all ihren Programmpunkten einer Prüfbegehung durch den Staatsapparat unterzogen werden. Schließlich handelt es sich nicht um irgendeine Messe, sondern um die größte Landwirtschaftsausstellung der DDR. Und Landwirtschaft war — und ist auch heute — ein entscheidender Dreh- und Angelpunkt für die Gestaltung und den Erhalt einer Gesellschaft.
Zu den besten Zeiten der agra trafen sich in der sogenannten „Universität im Grünen“ mehr als 700.000 Menschen aus aller Welt. Zwar besteht sie auch nach der deutschen Wiedervereinigung als „Mitteldeutsche Landwirtschaftsausstellung“ fort, doch ihr Mythos liegt in der Vergangenheit. Den unzähligen Geschichten, Anekdoten und Abseitigkeiten, den individuellen Bedeutungen und der Politik, die dieser Ort bis heute in sich trägt, spüren wir in unserer szenischen Begehung nach.
Denn während die Gläserne Kuh in ihrer Halle darauf wartet, Verborgenes zum Vorschein zu bringen, muss an anderen Orten Vorhandenes erst noch verschwinden, um den Ansprüchen der Zeit gerecht zu werden. Als Publikum werden Sie zur Prüfkommission, die wenige Wochen vor Eröffnung der Messe im Jahr 1981 auf dem Gelände begrüßt wird und eine Präsentation dessen bekommt, was sein wird oder — aus heutiger Sicht — gewesen ist.
Falk Rößler studierte Europäische Medienwissenschaft in Potsdam, Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen und Sozialanthropologie in Stockholm und arbeitet als Regisseur, Autor, Performer und Musiker. In seinen Arbeiten sucht er stets nach neuen Verbindungen theatraler Genres. In Leipzig recherchieren er und sein Team nun zur Bedeutung der agra für die Gesellschaften der 1980er Jahre in Ost und West — und darüber hinaus. Denn die agra lebt weiter, obwohl die Technik im Projektorenraum längst veraltet und die ausgelassene Stimmung im „agra-Club“ versiegt ist. Mit welchem Blick gehen wir heute über dieses Gelände? Was ist verschwunden? Was ist geblieben? Und wo ist sie jetzt, die Gläserne Kuh?
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Doch noch ist die Oberfläche der Gläsernen Kuh von Tüchern bedeckt, sind die Traktoren in den Garagen, die Schweine in ihren Ställen. Denn bevor die agra ihre Türen und Fenster zur Welt öffnen kann, muss die geplante Ausstellung mit all ihren Programmpunkten einer Prüfbegehung durch den Staatsapparat unterzogen werden. Schließlich handelt es sich nicht um irgendeine Messe, sondern um die größte Landwirtschaftsausstellung der DDR. Und Landwirtschaft war — und ist auch heute — ein entscheidender Dreh- und Angelpunkt für die Gestaltung und den Erhalt einer Gesellschaft.
Zu den besten Zeiten der agra trafen sich in der sogenannten „Universität im Grünen“ mehr als 700.000 Menschen aus aller Welt. Zwar besteht sie auch nach der deutschen Wiedervereinigung als „Mitteldeutsche Landwirtschaftsausstellung“ fort, doch ihr Mythos liegt in der Vergangenheit. Den unzähligen Geschichten, Anekdoten und Abseitigkeiten, den individuellen Bedeutungen und der Politik, die dieser Ort bis heute in sich trägt, spüren wir in unserer szenischen Begehung nach.
Denn während die Gläserne Kuh in ihrer Halle darauf wartet, Verborgenes zum Vorschein zu bringen, muss an anderen Orten Vorhandenes erst noch verschwinden, um den Ansprüchen der Zeit gerecht zu werden. Als Publikum werden Sie zur Prüfkommission, die wenige Wochen vor Eröffnung der Messe im Jahr 1981 auf dem Gelände begrüßt wird und eine Präsentation dessen bekommt, was sein wird oder — aus heutiger Sicht — gewesen ist.
Falk Rößler studierte Europäische Medienwissenschaft in Potsdam, Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen und Sozialanthropologie in Stockholm und arbeitet als Regisseur, Autor, Performer und Musiker. In seinen Arbeiten sucht er stets nach neuen Verbindungen theatraler Genres. In Leipzig recherchieren er und sein Team nun zur Bedeutung der agra für die Gesellschaften der 1980er Jahre in Ost und West — und darüber hinaus. Denn die agra lebt weiter, obwohl die Technik im Projektorenraum längst veraltet und die ausgelassene Stimmung im „agra-Club“ versiegt ist. Mit welchem Blick gehen wir heute über dieses Gelände? Was ist verschwunden? Was ist geblieben? Und wo ist sie jetzt, die Gläserne Kuh?
Premiere am 24. April 2025
ag(o)ra
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Schauspiel Leipzig auf dem Gelände des agra Messepark Leipzig
Bornaische Straße 210, 04279 Leipzig
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Schauspiel Leipzig auf dem Gelände des agra Messepark Leipzig
Bornaische Straße 210, 04279 Leipzig
Besetzung
Team
Regie, Text & Recherche: Falk Rößler
Text, Recherche & Künstlerische Mitarbeit: Tino Kühn
Recherche, Künstlerische Mitarbeit: Mara May
Musik: Nils Michael Weishaupt
Ausstattung: Stella Vollmer, Rayén Zapata-Gundermann
Dramaturgie: Julia Buchberger
Theaterpädagogische Betreuung: Rosa Preiß