Vater

von Florian Zeller
Deutsch von Annette und Paul Bäcker
Witwer André und seine erwachsene Tochter Anne leben in Paris. Anne will zu ihrem Freund Pierre nach London ziehen, doch ihr sonst immer souveräner Vater wirkt zunehmend verunsichert. Dinge und Menschen verschwinden, seine innere Uhr lässt ihn im Stich, sein Heim wird ihm fremd. Eine Haushaltshilfe lehnt er ab und vermutet ein Komplott: Anne versucht, ihn aus seiner Wohnung zu ekeln. Und dann ist da noch Elise, seine andere Tochter.

Florian Zellers raffiniert strukturierter Text über das Demenz-Schicksal eines Vaters und das Abschiednehmen zwischen ihm und seiner Tochter schafft es, Verwirrung und Hilflosigkeit durch scheinbar plötzlich abbrechende und verschobene Gedankengänge nachfühlbar zu machen. Wie verlässlich kann die eigene Erinnerung überhaupt sein? Fokussiert wird in diesem Stück die Innenansicht einer auf ein Minimum reduzierten Kernfamilie mit ihren emotionalen Abhängigkeiten und latenten Konflikten im Angesicht unvermeidlicher Veränderungen. Wie sollen die sowieso schon stark beanspruchten persönlichen Ressourcen verteilt werden? Welches Maß an Fürsorge lässt sich noch einfordern oder leisten, wenn Ortswechsel aus privaten oder beruflichen Gründen immer selbstverständlicher scheinen? Ein Spiel zwischen Selbstbehauptung und widerwilliger Fügung, Hingabe, Frust, Heiterkeit und absurd komischen Momenten. Eine Projektionsfläche für drängende Fragen und Ängste einer Gesellschaft mit stetig steigender Lebenserwartung.

Tilo Krügel ist seit Beginn der Intendanz Enrico Lübbes Ensemblemitglied am Schauspiel Leipzig. Zuvor war er als Schauspieler an den Theatern Chemnitz engagiert und dort als Studioleiter für das Schauspielinstitut „Hans Otto“ Leipzig tätig. Parallel entstanden eigene Regiearbeiten in Chemnitz, Gera, Altenburg und Zittau. 2013 gründete Krügel gemeinsam mit dem Schauspielkollegen Hartmut Neuber den „Club ü31“, einen partizipativen Theaterspielclub am Schauspiel Leipzig.
mehr anzeigen

Pressestimmen

KULTURA-EXTRA
„Der 73-jährige Schauspieler Bernd-Michael Baier schafft es diese recht typischen Verhaltensweisen eines Demenzkranken sehr glaubhaft und unprätentiös rüberzubringen. Als traumvergessener Dirigent sitzt André in seinem Sessel und überspielt gekonnt und sympathisch seine Erinnerungslücken. […] Der Einsatz von Soundcollagen und flächigen Videoüberblendungen verdichtet die Szenen zu einem kognitiven Gewittersturm im Hirn. Die farblich ähnlichen, aufeinander abgestimmten Kostüme der DarstellerInnen, Textwiederholungen und die Verteilung auf nur drei weitere Personen sorgen für zusätzliche Verunsicherung und machen die Zustände Andrés für das Publikum erfahrbar. Ein über 90 Minuten spannender und durch den gekonnten Multimediaeinsatz auch künstlerisch starker Abend.“
KUNST UND TECHNIK
„Ungeschönte Stücke über das Altern sind selten und noch seltener Kunst. Hier ist der Glücksfall inszeniert, der weder weinerlich noch anklagend die erbärmliche Situation zeigt und das mit Witz und purem Schrecken. Dem Team ist ein grandioser Theaterabend gelungen – man muss ihn sich nur ansehen wollen.“
LVZ
„Bernd-Michael Baier spielt den Vater in Leipzig als starke Persönlichkeit, dessen Rückfälle ins Kindliche der Hilflosigkeit geschuldet sind. Er gerät in Wut darüber, die Orientierung zu verlieren. Krügel, selbst Schauspieler am Haus, zeigt ihn nicht schwach und nicht gedemütigt von übergriffiger Fürsorge Fremder. Sondern erschüttert und überfordert von der Verunsicherung. [...] Die Inszenierung verzichtet auf Illustration. Es gibt keine Möbel, die André nicht wiedererkennen könnte. Es genügt, sich selbst nicht mehr zu kennen. Klänge und Videoprojektionen verweisen auf Bedrohung und Verwirrung [...]. Die Konzentration auf das Verhalten der Menschen, wenn ihre Räume schrumpfen, ist überzeugend genug.“
MDR Kultur
„Das Licht in der Diskothek, der Nebenspielstätte des Leipziger Schauspiels, ist meistens schummrig. Hin und wieder blitzen Lichter auf, unklare Videobilder flimmern durch den Raum. Die Schauspielerinnen laufen von rechts oder links über die Bühne, sogar hinter und über dem Publikum wird gespielt. Die Zuschauerinnen und Zuschauer wissen so selbst nicht, was passiert, was wahr ist. Das ist der Gedanke der Inszenierung: Das Gefühl der Verwirrung spürbar machen.“
Premiere am 03. Juli 2021

Spieldauer

ca. 1:30, keine Pause

In dieser Inszenierung wird Stroboskoplicht verwendet.
Die Lautstärke dieser Inszenierung überschreitet stellenweise 95 Dezibel.

Besetzung

Anna Keil als Anne

Team

Autor: Florian Zeller
Bühne und Kostüme: Agathe MacQueen
Video: Kai Schadeberg
Sound: Alexander Nemitz
Licht: Sebastian Elster
Dramaturgie: Matthias Döpke
Theaterpädagogische Betreuung: Amelie Gohla

Trailer

Aufführungsrechte

Theaterverlag Desch, Berlin, mit freundlicher Genehmigung von L’Agence Drama, 24 rue Feydeau, 75002 Paris, Frankreich