Schäfchen im Trockenen
Resi ist in die Falle gegangen. In die Falle von alle-sind-gleich und alles-ist-möglich: Vier Kinder, eine prekäre Tätigkeit als Autorin, den ganzen Haushalt dazu und ein gekündigter Mietvertrag. Resis Schäfchen drohen bald im Regen zu stehen. „Weiß man doch“, dass Kinder und Wohnen Geld kosten, bewertet eine Freundin die missliche Lage. Und „Selber schuld, Katapult“. Denn sie hätte sich auch im Hausprojekt „K 23“ beteiligen können. Dort eine Wohnung an der Seite ihrer Freunde beziehen und die Dosenravioli weiter unter Parmigiano-Raspeln verstecken können. Das war allerdings vor dem Artikel, in dem sich Resi mit der Kluft im eigenen Freundeskreis auseinandersetzt: Da können sich die einen den begehbaren Kleiderschrank im Eigenheim leisten und die anderen nicht. Obwohl alle gleich und frei sind.
Weil man darüber aber nicht redet, erntet sie Ablehnung und den Entzug der anvertrauten Mietwohnung. Resi ist plötzlich doppelt ortlos: einerseits ohne Freunde und soziale Heimat. Andererseits ohne Dach über dem Kopf. Also auch ohne Mittel, den eigenen Kindern den Anspruch auf ein besseres Leben zu verwirklichen. Das ist die Grenze von do-it-yourself. Dabei waren sie und ihre Freunde angetreten, eine andere Welt zu erschaffen: Freiheit statt Förmlichkeit und Toleranz statt starrer Weltbilder.
Während ihr vorgeworfen wird, sich fälschlich zum Opfer zu stilisieren, heißt es für die verstoßene Schriftstellerin nun genug der falschen Hoffnung. Resi fühlt sich betrogen, vom guten Zureden. Sie bricht mit der Isolation und benennt, was niemand hören will: Wir sind eine unsolidarische Gesellschaft. Unsere Chancen sind nicht gleich. Deshalb will sie das geschickt Kaschierte offenlegen, vom stillen Kämmerlein auf die Barrikaden wechseln und so für etwas Beigeschmack sorgen zum Crémant vor der mild beigen Hausprojektfassade.
Mit „Schäfchen im Trockenen“ gewinnt die Autorin Anke Stelling 2019 den Preis der Leipziger Buchmesse. Es „ist ein scharfkantiger, harscher Roman, der wehtun will, der protestiert gegen den beständigen Versuch des besänftigt Werdens [...] und dadurch den Kopf frei macht zum hoffentlich klareren Denken“, lautet die Begründung der Jury. Die Erzählung der gleichen Chance für alle bekommt mit Resis Geschichte Konkurrenz. Zeit für eine Bestandsaufnahme.
Die Bearbeitung dieses Romans für die Bühne des Schauspiel Leipzig übernimmt die Regisseurin Thirza Bruncken. Ihre Inszenierungen führten sie u. a. an das Schauspiel Köln, das Volkstheater Wien, das Schauspiel Frankfurt, das Theater Dortmund, das Nationaltheater Weimar, das Düsseldorfer Schauspielhaus, die Münchner Kammerspiele und das Residenztheater München. Ihre Inszenierung zu „Stecken, Stab und Stangl“ von Elfriede Jelinek am Deutschen Schauspielhaus Hamburg wurde 1999 zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Nach mehreren Uraufführungen in der Diskothek setzt Bruncken mit den „Schäfchen im Trockenen“ ihre formstarke Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Texten in Leipzig fort.
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Weil man darüber aber nicht redet, erntet sie Ablehnung und den Entzug der anvertrauten Mietwohnung. Resi ist plötzlich doppelt ortlos: einerseits ohne Freunde und soziale Heimat. Andererseits ohne Dach über dem Kopf. Also auch ohne Mittel, den eigenen Kindern den Anspruch auf ein besseres Leben zu verwirklichen. Das ist die Grenze von do-it-yourself. Dabei waren sie und ihre Freunde angetreten, eine andere Welt zu erschaffen: Freiheit statt Förmlichkeit und Toleranz statt starrer Weltbilder.
Während ihr vorgeworfen wird, sich fälschlich zum Opfer zu stilisieren, heißt es für die verstoßene Schriftstellerin nun genug der falschen Hoffnung. Resi fühlt sich betrogen, vom guten Zureden. Sie bricht mit der Isolation und benennt, was niemand hören will: Wir sind eine unsolidarische Gesellschaft. Unsere Chancen sind nicht gleich. Deshalb will sie das geschickt Kaschierte offenlegen, vom stillen Kämmerlein auf die Barrikaden wechseln und so für etwas Beigeschmack sorgen zum Crémant vor der mild beigen Hausprojektfassade.
Mit „Schäfchen im Trockenen“ gewinnt die Autorin Anke Stelling 2019 den Preis der Leipziger Buchmesse. Es „ist ein scharfkantiger, harscher Roman, der wehtun will, der protestiert gegen den beständigen Versuch des besänftigt Werdens [...] und dadurch den Kopf frei macht zum hoffentlich klareren Denken“, lautet die Begründung der Jury. Die Erzählung der gleichen Chance für alle bekommt mit Resis Geschichte Konkurrenz. Zeit für eine Bestandsaufnahme.
Die Bearbeitung dieses Romans für die Bühne des Schauspiel Leipzig übernimmt die Regisseurin Thirza Bruncken. Ihre Inszenierungen führten sie u. a. an das Schauspiel Köln, das Volkstheater Wien, das Schauspiel Frankfurt, das Theater Dortmund, das Nationaltheater Weimar, das Düsseldorfer Schauspielhaus, die Münchner Kammerspiele und das Residenztheater München. Ihre Inszenierung zu „Stecken, Stab und Stangl“ von Elfriede Jelinek am Deutschen Schauspielhaus Hamburg wurde 1999 zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Nach mehreren Uraufführungen in der Diskothek setzt Bruncken mit den „Schäfchen im Trockenen“ ihre formstarke Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Texten in Leipzig fort.
LVZ
„In ‚Schäfchen im Trocknen‘ geht es um soziale Aufstiegsträume und Abstiegsängste, um Gentrifizierung und weibliche Selbstfindung, um die Brüchigkeit des eigenen Lebensentwurfes wie des eigenen Selbstbildes. Es geht, wenn man so will, um die ewige Wiederkehr des Gleichen. […] Vor dieser [Bühne] bewegen sich, mal gemeinsam, mal vereinzelt, Anne Cathrin Buhtz, Bettina Schmidt, Thomas Braungardt und Tilo Krügel in manisch-zackigen Gängen.“
MDR-Kultur
„Während sich das Buch um die prekären Lebensverhältnisse einer Schriftstellerin dreht, stellt die Leipziger Inszenierung die existentielle Bedrohung von Theatern in den Vordergrund. Der Saal bleibt symbolisch weiterhin leer – denn das Publikum sitzt mit auf der Bühne. Eine grandiose Inszenierung.“
Premiere am 15. Januar 2022
Hinterbühne
Hinterbühne
Spieldauer
ca. 1:50, keine PauseBesetzung
Team
Autorin: Anke Stelling
Regie: Thirza Bruncken
Bühne & Kostüme: Christoph Ernst
Tanz: Romy Avemarg
Dramaturgie: Marleen Ilg
Theaterpädagogische Betreuung: Amelie Gohla